Der ehemalige Kissinger Bürgermeister Wolf engagierte sich stark für das Großprojekt „Osttangente“, weil er eine Ortsumfahrung für seinen Ort wünschte. Wichtigstes Argument ist und war die Belastung der B2-Anlieger durch Lärm und Abgase. Sein Nachfolger und die Mehrheit des Gemeinderates stehen unverändert ebenfalls zur Osttangente.
Die jetztige B2 war seinerzeit die Umgehungsstrasse für Kissing und Wohngebiete waren mehrere hundert Meter entfernt davon. Ein ehemaliger Kissinger Bauamtsleiter schilderte uns, die Entwicklung: In den frühen 50er Jahren nach dem Krieg gab es nur vereinzelte Häuser an der jetzigen B2, die hauptsächlich der Firma Fritsch bzw. deren Angestellten gehörten. Um für die Flüchtlinge des 2. Weltkrieges günstigen Wohnraum zu schaffen, wurden billigste Baugrundstücke an der B2 ausgewiesen. Dadurch setzte eine intensive Bebauung entlang der Straße ein, die letztendlich zu der heutigen Situation führte, mit immer mehr Wohnhäusern an einer Bundesstraße. In den 70er Jahren sollten dann Schallschutzwände errichtet werden. An den Kosten sollten sich die Hausbesitzer beteiligen. Diese lehnten das ab und so wurde diese sinnvolle Schallschutzmaßnahme nicht umgesetzt. Trotz allem Verständnis für die Situation muss man leider sagen, dass ein großer Teil der Probleme Kissings mit der B2 hausgemacht sind.
Wird es durch die Osttangente überhaupt die oft behauptete Entlastung für Kissing geben?
Da es bei der geplanten Osttangente keine Einschleifung innerorts geben wird, wird der Ziel- und Quellverkehr erhalten bleiben. Der Verkehr wird sich dadurch maximal um die Hälfte verringern. Dadurch wird es nur eine minimale Lärmentlastung geben. Siehe hierzu Verkehr halbiert = Lärm halbiert?
Es wird nur wenige Zu- und Abfahrten geben. So ist für Mering lediglich ein Knoten kurz vor der Staustufe 23 geplant. Das bedeutet, dass der Verkehr auf der dann „alten“ B2, der an Mering vorbeiführt bzw. von Mering Richtung Kissing geht, nach wie vor die „alte“ Variante wählen wird. Dies gilt insbesondere für Zielverkehr nach Kissing und Friedberg. Damit wird es kaum zu einer nennenswerten Entlastung für Kissing und St. Afra führen. Zielverkehr nach Mering und weiter Richtung Fürtsenfeldbruck, der von der A8 auf der „neuen“ Trasse fließt, wird den Knotenpunkt bei Kissing auf die „alte“ B2 wählen und damit nach wie vor Kissing und St. Afra belasten.
Übrigens ergeben sich für Kissing auch erhebliche Nachteile: Die Bürger werden von den Naherholungsgebieten abgeschnitten und die Lärm- und Abgasbelästigung wird insgesamt zunehmen, besonders an den Naherholungsgebieten aber auch im Innenort bei vorherrschendem Westwind.
Schaut man sich die Wohnbebauung entlang der B2 an, so kommt man auf ca. 70 Häuser von denen ein Teil Einfamilienhäuser und ein Teil Mehrfamilienhäuser sind. Man kann grob schätzen, dass dort ca. 400 Menschen direkt an der B2 leben. Dahingegen wären mehrere tausend Menschen in der Region von der Osttangente betroffen. Und schaut man über die Gemeindegrenzen nach Friedberg, so fallen sofort die Kleingärtner an der B2 auf. Hier ist ein von ca. 2.000 Menschen intensiv genutztes Erholungsgebiet entstanden, welches direkt durch die Osttangente durchschnitten werden würde.
Eines darf man in Kissing nicht vergessen: Westlich von der Bahn in Kissing liegen ebenfalls Wohnhäuser und zwar ca. 17 an der Zahl, also zahlenmäßig ein Viertel der Wohnhäuser, die jetzt an der B2 liegen. Über deren Grundstücke würde die Osttangente führen – sie müssten umgesiedelt, entschädigt oder enteignet werden! Weiterhin liegen dort große Gewerbebetriebe wie z.B. Hasit-Trockenmörtel oder Klaus-Betonfertigteile. Die müssten diesen Standort aufgeben, da die Autobahn direkt über deren Grundstücke gehen würde. Wie passt das zum Argument der Gewerbeansiedlung? Wieviele Arbeitsplätze wären betroffen?
Man muss also festhalten, dass für die B2-Anlieger in Kissing durch die Osttangente eventuell eine geringe Entlastung entstehen würde, andere Anlieger, deren Zahl weit größer ist, würden aber duch die Osttangente erheblich belastet. Wir sind der Meinung, dass man weder Menschen noch Natur gegeneinander ausspielen sollte. Natürlich brauchen die Anlieger an der B2 in Kissing eine Lösung, um die Lärm- und Abgasbelastung zu reduzieren. Diese Lösung kann aber nicht die Osttangente sein. Wir sind dafür, dass Kissing einen Stadt- und Verkehrsplaner beauftragt, der nach einer Lösung sowohl für alle Anlieger an der B2 als auch für die städtebaulichen Probleme sucht. Beispiele für eine umnittelbare Entlastung könnte eine Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit auf 30 kmh sein. Die Gesetzeslage lässt dies durchaus zu und viele Gemeinden in Baden-Württemberg haben dies bereits durchgesetzt. Oder eine veränderte Ampelschaltung, die den Verkehrsfluss erhöht. Oder Lärmschutzwände oder Flüsteraspahlt. Lärmschutzwände und Flüsterasphalt wurden aber bisher aus Kostengründen abgelehnt, die Frage ist nun, ist ein 210-Millionen-Projekt billiger? Wir sind überzeugt, dass eine kreative Planung durchaus Spielräume bietet für Lösungen, die die B2-Anlieger in Kissing entlasten.
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