23.05.2015 Augsburger Allgemeine Friedberg
Osttangente stößt auch in Merching auf Skepsis
Gefährdete Naturschutzgebiete
Die Trasse wird entlang europaweit bedeutender Naturschutzgebiete (Augsburger Stadtwald, Kissinger Bahngruben und Kissinger Heide) führen und die Auswirkungen werden gravierend sein. Der Abstand zu den Naturschutzgebieten wird unter 100 Metern liegen. Ökosysteme stehen in einem ständigen Austausch mit ihrere Umgebung und sind als lebende Systeme stark davon abhängig. Insbesondere kleine Ökosysteme wie die Kissinger Heide und die Kissinger Bahngruben reagieren extrem sensibel bei Eingriffen in ihre Umgebung. Eine vierspurige Autobahn an der Grenze der Naturschutzgebiete wird daher nicht ohne Folgen bleiben. Die aktuellen Pläne sehen einen Knotenpunkt (Zu- und Abfahrt) direkt neben der Kissinger Heide vor. Derartige Knotenpunkte stellen einen zusätzlichen, großflächigen Eingriff in die Nachbarschaft der Naturschutzgebiete dar.
Die untere Naturschutzbehörde verfolgt seit langem das Ziel, einen Biotopverbund zu schaffen. Dieses Ziel ist dann nicht mehr umsetzbar.
An der Staustufe 23 muss eine 4-spurige Brücke komplett neu gebaut werden, parallel zum Betrieb der alten Trasse. Dies wird nicht ohne Eingriffe in das direkt angrenzende Naturschutzgebiet „Augsburger Stadtwald“ gehen.
Bedrohte Naherholungsgebiete
Die geplante Osttangente wird wichtige Naherholungsgebiete der Region durchqueren.
Auf der Fläche zwischen Königsbrunn und Lech haben sich kleine Landwirtschaftsbetriebe, Pferdezüchter und Gastronomen angesiedelt und es wird ausgiebig als Naherholungsgebiet genutzt. Die Osttangente wird mitten durch dieses Gebiet führen und es damit als Lebensmittelpunkt und Erholungsort bedrohen.
Die Naherholungsgebiete am Lech und deren Zugang sind von großer Bedeutung für unsere Region. Erholung für Spaziergänger, Wanderer, Läufer und Radler beginnt heute direkt am Ortsrand von Mering und Kissing mit Wegen durch Felder, Magerrasenbiotope und Naturschutzgebiete wie die Kissinger Heide. Für Badende sind die Seen am Lech zu Fuß und per Rad erreichbar und werden ausgiebig genutzt. Viele Familien und Senioren wählen Kissing oder Mering als Wohnort auch aus diesen Gründen. Die neue Trasse läuft mittendurch und wird nach vorliegender Planung weitgehend kreuzungsfrei gebaut werden. Damit wird der ortsnahe Erholungsraum in diesem Bereich durch Lärm und Gestank zerstört und ein Zugang zu den Lechauen voraussichtlich nur noch über wenige Brücken oder Tunnel möglich sein. Das entwertet diese Erholungsgebiete und senkt die Lebensqualität für Mering und Kissing. Die Gemeinden Kissing und Mering würden durch die Straße sowohl vom Weitmann- wie auch vom Auensee noch stärker getrennt, als die durch die Bahn bereits geschieht.
Die Friedberger Au entlang der Lechleite ist das nördliche Naherholungsgebiet von Friedberg und wird ausgiebig von Spaziergängern, Radlern und Badenden genutz. Sie ist in ihrem Verlauf im aktuellen Regionalplan als Frischluftschneise für die Stadt Augsburg ausgewiesen. Schon der Ausbau der AIC 25 neu galt nur als Ausnahme. Die Friedberger Au wird durch Osttangente diese Funktion endgültig verlieren.
Unglaublicher Flächenverbrauch
Der Flächenverbrauch der gesamten Route ist so groß, dass in etwa 6 Landwirte ihre Lebensgrundlage verlieren werden. Hier von Ausgleichsflächen zu reden, ist in unserem Gebiet unrealistisch, denn der verfügbare Grund und Boden ist ja wohl kaum vermehrbar.
Wir zitieren einen Landwirt aus Mering mit den Worten „Landwirtschaft in den Lechauen wird mit diesem Projekt nicht mehr möglich sein“.
Wie sich die Fläche errechnet sowie die Anzahl der Landwirte kann den entsprechenden Hintergrundinfos entnommen werden.
Mitten durch Wasserschutzgebiete
Im unteren Bereich, südlich von Königsbrunn, verläuft die Route durch Wasserschutzgebiete, die bisher vor Straßenbau geschützt waren.
Man darf gespannt sein, mit welchen Kunstgriffen der Bau durch dieses Gebiet dann doch ermöglicht werden soll.
Großlösung für kleine Probleme?
Alle Politiker, die dieses Projekt befürworten, erklärten öffentlich, dass sie hauptsächlich die Ortsumfahrung Kissing und Friedberg (Süd) wollen (siehe Presseartikel Augsburger Allgemeine, 8.3.2015).
Sie sehen aber keine Chance, diese „Kleinprojekte“ im Bundesverkehrswegeplan 2015 unterzubringen. Daher wollen sie jetzt die 4-spurige Großlösung „Osttangente“ einbringen, da Großprojekte eine bessere Chance haben in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen zu werden.
Es wird also ganz offen gesagt, dass man das Großprojekt eigentlich nur will, um die zwei kleineren Ortsumfahrungen realisieren zu können. Besser kann man unsere Steuergelder, unsere Natur, Umwelt und Heimat nicht verschwenden.
Grenze der Belastung erreicht?
Die Befürworter nennen als einen Hauptgrund für die neue Trasse, dass die heutige B2 an der Grenze ihrer Belastung angekommen ist. Die Zwangsläufigkeit, dann eine neue Straße zu bauen und das auch gleich noch vierspurig, wird nicht hinterfragt.
Auch kann man bezweifeln, ob die B2 an ihrer Belastungsgrenze angekommen ist. Was bedeutet „Belastungsgrenze“ denn eigentlich und wer definiert das? Vergleicht man z.B. den Verkehrsfluss auf der B2 zwischen Mering und Augsburg-Hochzoll mit dem Stadtverkehr in München (z.B. mittlerer Ring oder Landsberger Str.) und dem Stadtverkehr in Augsburg (z.B. Friedberger Str.), so stellt man fest, dass der Verkehr auf der B2 deutlich besser fließt und wesentlich seltener Staus auftreten.
Kürzlich hat der Verkehsdatenanbieter INRIX eine Studie zu den Staus in deutschen Großstädten veröffentlicht. Augsburg rangiert auf dem 22. und damit letztem Rang.
Wirtschaftliche Entwicklung bedroht?
Angeblich brauchen wir die Osttangente für die wirtschaftliche Entwicklung des Landkreises und der Gewerbegebiete. Die Politiker, die dies behaupten versäumen aber einen Plan vorzulegen, wie sie sich diese Entwicklung vorstellen, geschweige denn, dies in der Öffentlichkeit zu diskutieren.
Wo sollen diese Gewerbegebiete entstehen? Wollen wir riesige Logistikzentren mitten in unseren Naherholungsgebieten? Wollen wir mehr Industrie oder mehr Dienstleistung oder mehr Tourismus?
Bereits jetzt haben wir gute Verkehrsverbindungen zur A8 und A96. Glaubt man wirklich, dass es für betriebswirtschaftlich denkende Unternehmer von Bedeutung ist, wenn sie evtl. in 20 Jahren 2-3 Minuten schneller auf der A8 sind?
Diese Argumente und andere stammen überwiegend vom staatlichen Stadtbauamt Augsburg, welches schon seit Jahren die Osttangente wünscht. Aus Augsburger Sicht kann man das verstehen. Wir sollten uns aber davor hüten, diese interessengesteuerten Argumente ungefragt zu übernehmen.
Herr Fritsch, der zuständige Beamte im staatlichen Bauamt Augsburg sagte sehr deutlich vor dem Kissinger Gemeinderat am 7.5.2015, dass die Osttangente dazu dient, „den Verkehr anzusaugen und zu bündeln“.
Nur eine Bundesstraße?
Es muß klar gesagt werden: die Osttangente wird eine autobahn-ähnliche, 4-spurige Trasse werden mit Seitenstreifen, Mittelstreifen und ohne Geschwindigkeitsbegrenzung. Wenn von Lokalpolitikern immer wieder gesagt wird, „es ist ja nur eine Bundesstraße“, so ist dies eine gezielte Verharmlosung.
Ein autobahnähnlicher Ausbau macht auch die Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h überflüssig. Je höher die Geschwindigkeit, umso größer die Lärmbelastung, besonders in der Nacht.
Die Osttangente wird massiv den Personen- und vor allem den Schwerlastverkehr aus Richtung Ingolstadt nach Süden von der A 8 und der B 17 anziehen und über unsere Fluren lenken. Es gibt keinen Grund, diese zusätzliche Belastung der Region zu provozieren.
Steuermittel werden „verbrannt“?
Die neue Trasse soll in Friedberg als Ausbau der ‚AIC 25 neu‘ erfolgen. Die AIC 25 wurde vor 7 Jahren als Neubau in der Friedberger Au mit dem Anschluss an die A8 dem Verkehr übergeben.
Die AIC 25 neu ist von der A 8 bis zur Kreuzung Augsburger Straße (Segmüller) kreuzungsfrei mit vier Brückenbauwerken (zweispurig) ausgebaut und mit Tempo 100 befahrbar. Von einer „Belastungsgrenze“ ist diese Straße weit entfernt, der Verkehr läuft auch zu Spitzenzeiten störungsfrei.
Die Gesamtkosten betrugen ca. 21,5 Millionen Euro. Diese Steuermittel werden durch einen vierspurigen Ausbau zum großen Teil „verbrannt“.